
Traumdeutung: Träume in der Analytischen Psychologie
Wie ist das mit dem Träumen und dem Traum?
In der therapeutisch-analytischen Einzelsitzung ist die Arbeit an den jeweils eigenen Träumen ein zentraler Bestandteil, um tiefer in die innere Welt der Gefühle einzudringen mit dem Ziel
„ERKENNE DICH SELBST“ (Pythagoras)
Der Traum ermöglicht uns in Form von Szenen und Bildern Zugang zu unserer inneren Gefühlswelt. Bilder sind Symbole und stehen stellvertretend für etwas, das ein Gefühl, eine Erfahrung oder Gedanken zum Ausdruck bringt. Die Symbole der Bilderwelt laden uns dazu ein, zu erkunden, was die Symbole in unserem Traum, für uns im Kontext unserer Lebensgeschichte bedeuten.

Die Frage lautet: Was symbolisieren die Symbole in der Traumwelt?
Um die Annäherung an das Verstehen von Träumen zu illustrieren, erzähle ich folgend einen Traum einer 40-jährigen weiblichen Person mit Burnout-Symptomatik:
Traum:
Auf einer Treppe, in einem Stiegenhaus, kommen mir viele Menschen entgegen. Ein Strom von Menschen. Ich bin allein gegen den Strom. Niemand spricht mit mir oder sieht mich an. Was soll ich tun, um wahrgenommen zu werden. Ich müsste stehen bleiben, aber dann werde ich überrannt. Ich erwache mit starkem Herzklopfen.
Die Bedeutung des Traumes:
Die Traum-Szene spiegelt jene Situation wider, die sie an ihrem Arbeitsplatz in
leitender Position seit Jahren durchhält und darum kämpft, gehört zu werden.
Auf der bewussten Ebene war es für sie nicht möglich zu „erkennen“, worum sie
kämpft und was ihre Anstrengung bedeutet.
1. „Der Traum stellt eine unbewusste Reaktion auf eine bewusste Situation dar“
(v. Franz,1985 zit. nach Bolin, E. u. Sauer, G., 2017).
Das Traum-Ich reagiert auf ihr bewusstes Verhalten in der realen Arbeitswelt, wo sie
ihr Verhalten an eine Außenwelt anpasst, die im Widerspruch zu ihrer inneren
Haltung steht – so will ich das eigentlich gar nicht.
2. „Der Traum stellt eine Situation dar, die aus einem Konflikt zwischen
Bewusstsein und dem Unbewussten entstanden ist“ (v. Franz,1985 zit. nach
Bolin, E. u. Sauer, G., 2017).
Ihr Traum-Ich läuft gegen den Strom und will ihr Tages-Ich darauf aufmerksam
machen, dass sie innerlich nicht einverstanden ist.
Ihr angepasstes Tagesbewusstsein läuft mit dem Strom mit und gerät damit mehr
und mehr in einen inneren Konflikt, der in einem Burnout endet – Im Traum: der
Angst überrannt zu werden.
3. „Der Traum stellt eine Tendenz des Unbewussten dar, welche auf eine
Veränderung der bewussten Einstellung abzielt“ (v. Franz,1985 zit. nach Bolin,
E. u. Sauer, G., 2017).
Die Botschaft des Traum-Ichs bedeutet, dass sie gegen ihre eigene Überzeugung,
gegen sich selbst läuft. Wenn sie sich nicht selbst Schaden zufügen möchte, braucht
es eine Veränderung auf der bewussten Ebene.
Fazit:
Unsere Träume enthüllen uns vielschichtige Botschaften über unsere gegenwärtige
Situation und weisen uns auf bislang unbewusste Perspektiven hin.
Aber es liegt einzig und allein am Träumer, seine moralischen Schlüsse daraus zu
ziehen.

Fragen zum Traum und zum Träumen (vgl. nach Ullmann, M.,1986)
Träumen wir alle und träumen wir jede Nacht?
Die Traum- und Schlafforschung hat uns Einblick darin gegeben, dass sich die erste
Traumphase nach ca. 90 Minuten nach dem Einschlafen einstellt und ca. fünf bis 10
Minuten andauert. Der Schlaf geht in Zyklen von 90 Minuten weiter, wobei die
Traumphase in jeder folgenden Periode länger wird. Die letzte vor dem Aufwachen
kann bis zu 40 Minuten dauern.
Was sagen uns unsere Träume über uns selbst?
Das hängt davon ab, wie intensiv wir uns mit unseren Träumen beschäftigen.
Prinzipiell zeigt uns jeder Traum etwas Wertvolles über uns selbst. Unsere Träume
schöpfen aus einem Reservoir an Erfahrungen, Gefühlen, Wünschen, Ressourcen
und vielem mehr. Sie erzählen uns davon, dass wir weitaus mehr sind, als wir über
uns, über unser Tagesbewusstsein zu wissen glauben, und darüber, wer wir sind.
Welche Wirkung haben erinnerte Träume?
Beeinflusst schon die Tatsache, dass ein Traum erinnert wird, unser Dasein?
Wenn wir einen Traum als Erinnerung in den Wachzustand hinübernehmen, werden
die damit verbunden Gefühle unsere Stimmung beeinflussen, und zwar umso
nachhaltiger, je intensiver und ungewöhnlicher sie sind. Das Traumerleben kann
positive Gefühle des Staunens oder der Begeisterung zurücklassen oder negative
Gefühle, wie schlimme Ahnungen, Schrecken oder Angst erzeugen. Wir können die
Bedeutung zu inneren Prozessen spüren, selbst wenn wir den Inhalt nicht verstehen
und auch dann, wenn wir den Traum nicht mehr klar erinnern.

Was bedeuten Träume, die sich wiederholen?
Wir alle tragen unverarbeitete, gefühlsintensive Erlebnisse aus unserer Vergangenheit in uns, die von innen her auf uns wirken. Das sind spezielle Bereiche der Verletzlichkeit, die im Lauf des Lebens immer wieder angestoßen werden.
Wenn dies geschieht, haben wir oft einen Traum, der das Problem darstellt und uns unsere innere Situation zeigt.
Kommen wir mit einer Thematik, die uns zu schaffen macht nicht weiter, können wir die belastenden Gefühle nicht integrieren, dann passiert es, dass wir dem Thema sowohl in unserem Wachleben als auch in unserem Träumen immer wieder begegnen.
Was bedeutet es, wenn wir im Traum bemerken, dass wir träumen?
Wir bewegen uns im Traum aktiv oder als Beobachter; wir sind einerseits aktiv,
anderseits reagieren wir auf das Geschehen. Wenn wir uns mehr und mehr unserer
Rolle im Traum bewusst werden, bemerken wir, dass all dies ein Traum wird. Wir
nennen es „luzides“ Träumen.
Einigen luziden Träumern gelingt es, den weiteren Verlauf des Traumens
mitzugestalten und in ihm spielerisch ihre Fantasie und Allmacht zu üben. Allerdings
ist die Beeinflussbarkeit und Kontrolle des Träumers auch in luziden Träumen nur
innerhalb bestimmter Grenzen möglich.
Hat unser Traumleben eine eigene Wirklichkeit?
Unsere Träume scheinen tatsächlich eine eigene Realität zu haben. Egal welcher
Natur diese Wirklichkeit ist, so bleibt doch ihre Beziehung zur sogenannten
„Tagesrealität“ zu klären, indem wir uns mit unseren Träumen beschäftigen.
Wir spüren, dass es zwischen diesen beiden Realitäten eine Einheit gibt. Im Wachen
wie im Schlafen sind wir ein und dieselbe Person, auch wenn wir uns und unsere
Umwelt in diesen Zuständen unterschiedlich erleben. Zu unserer Traumexistenz
scheint es zu gehören, dass wir uns und die Welt außerhalb der Raum- und Zeit-
Dimension erleben, die unser Selbstgewahrsein im Wachzustand kennzeichnet.
Kann die Arbeit mit Träumen gefährlich sein?
Nein, jedenfalls nicht, solange wir berücksichtigen, dass der Traum alleine dem
Träumer gehört, der auch für ihn verantwortlich ist und dass jeder, der sich mit
Träumen beschäftigt, dies zu respektieren hat.
Unsere Träume sind dazu da, zu erhellen, was wir schon erfahren haben. Solange
wir mehr an Kenntnis erwerben, werden wir stärker und nicht schwächer.
Es ist nicht gefährlich, sich mit seinen Träumen zu beschäftigen, wohl aber könnte es
gefährlich sein, es nicht zu tun.